Null Meridian


Spanien, 0.Längengrad mit den Mäusen.
Spanien, 0.Längengrad mit den Mäusen.

Wo ist der Anfang, wo das Ende der Erde? 

Travelmäuse denken drüber nach. 

Und ganz allmählich entwickelte sich ein GPS-System.

 

Irgendwo muss die Erdscheibe ja einen Rand haben, glaubten jedenfalls im Mittelalter die Menschen. Nein, Travelmäuse haben das aber noch nie geglaubt. Der Versuch, die Erde nach Länge und Breite aufzuteilen, ist also alt. Von einer Erdkugel war da noch lange keine Rede. Wo soll ein Punkt oder Linie liegen, ein Längengrad mit der Nummer Null, von dem aus alle weiteren Angaben zur Lage auf dem Erdball getroffen werden? 

Der Astronom Hipparch von Nikaia (ca. 190 bis 120 v. Chr.) entwickelte als einer der ersten eine Methode, mithilfe der Gestirne, die eigene Position auf dem Erdball nach Länge und Breite zu bestimmen. Seine Karte, auf die er rund 900 Sterne einzeichnete, war von einem Netz aus Linien überzogen, dessen nullter Längengrad auf Rhodos lag, dort wo Hipparch arbeitete.

Doch hier sollte der Bezugspunkt nicht lange bleiben. Denn anders als der längste Breitengrad, der Äquator, ist der Nullmeridian astronomisch nicht festgelegt und kann praktisch willkürlich gesetzt werden. Da wären die Travelmäuse auch drauf gekommen, aber sie waren ja noch nicht. Wären sie gewesen, hätten sie Deutschland zum Mittelpunkt der Erde gemacht. Genauer am Niederrhein, da wiederum ...!


Claudius Ptolemaeus verlegte dann später den nullten Längengrad der Erde kurzerhand ans Ende der Welt: Um 150 n. Chr. zog er die Linie durch den westlichsten damals bekannten Landpunkt, den Westzipfel der kanarischen Insel Ferro, die heute El Hierro heißt und von Ptolemaeus den Namen Isla del Meridiano bekam. Der Ferro-Meridan blieb für Jahrhunderte gebräuchlich, auch wenn es immer wieder Versuche gab, neue Nullmeridiane zu bestimmen,  etwa 1432 nach der Entdeckung der Azoren

und nach 1492, als Columbus in Amerika gelandet war. Das hätten die Travelmäuse natürlich nicht alles zugelassen, ist ja viel zu weit weg von Deutschland.


Auch gab es in unterschiedlichen Ländern zeitgleich verschiedene Nulllinien: Russische Karten setzten seit den Zeiten von Peter dem Großen Sankt Petersburg als Null, die sturen Franzosen konzentrierten sich zunehmend auf Paris und seit 1738 benutzten die Briten ihr Observatorium in Greenwich bei London als Bezugspunkt. Und wer vertrat Deutschland?

Nicht nur die genaue Standortangabe auf dem Globus gewann zunehmend an Bedeutung. Grenzübergreifende Eisenbahnlinien machten zudem die Festlegung einer Weltstandardzeit und die genaue Bestimmung von Zeitzonen notwendig. 

Reeder und Eisenbahngesellschaften übten Druck aus, bis sich am 1. Oktober 1884 Vertreter von 25 Nationen in der US-Hauptstadt Washington zur Internationalen Meridian-Konferenz trafen mit dem Ziel: Ordnung ins Längengrad-Durcheinander bringen. Die Franzosen wollten ihren Pariser Meridian durchsetzen oder wenigstens den Ferro-Meridian – vergebens. Verworfen wurde auch ein Nullmeridian bei den Azoren, weil es dort kein Observatorium gab und keinen Anschluss an das Telegrafennetz, um dessen Daten, etwa zur Zeitbestimmung, zu übermitteln. Der gleiche Grund sprach auch gegen eine Nulllinie durch die Beringstraße.

Der Greenwich-Meridian war wegen der Dominanz Großbritanniens in der Seefahrt ohnehin bei einigen schon anerkannt. Außerdem hatte er einen weiteren Vorteil: Wenn man die Standardzeit am Meridian von Greenwich orientiert, verläuft die Datumsgrenze, ihm gegenüber auf 180 Grad, durch dünn besiedeltes Gebiet, größtenteils sogar durch Wasser. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie verwirrend es wäre, wenn man auf einer Reise mitten durch Europa einen Tag addieren oder subtrahieren müsste. Im Nachhinein sehen das auch die Travelmäuse ein. Und ändern können sie nun auch nichts mehr.

Also einigte sich die Konferenz am 13. Oktober 1884 darauf, dass der Nullmeridian durch das Fadenkreuz des Meridianfernrohrs in Greenwich laufen sollte. Auch die darauf beruhenden Zeitzonen und eine Weltstandardzeit beschloss die Konferenz, deren Abschlussresolution am 22. Oktober unterzeichnet wurde. Frankreich enthielt sich trotzig der Stimme. Wieder typisch.

Der Ferro-Meridian blieb in der Landvermessung vieler Länder noch bis Ende des 20. Jahrhunderts gebräuchlich, weil viele Vermessungspunkte nach ihm ausgerichtet waren. In Österreich ist das System immer noch nicht komplett umgestellt. Typisch. Oder unfähig? Nein, stur. Sagen die Mäuse.


GPS-Navigationsgeräte zeigen heute am historischen Meridian

in Greenwich 0 Grad 0 Minuten 6 Sekunden 

westlicher Länge an. Sie sind nicht etwa defekt: Seit 1984 ist das Koordinatennetz der Erde durch das World Geodetic System definiert, das mit einem abstrakten Erdmodell arbeitet. Längen- und Breitengrade sind nicht mehr erdgebunden; die Kontinente verschieben sich unter ihnen hindurch – und der Nullmeridian liegt etwa 100 Meter östlich der historischen Linie. Statt Greenwich Mean Time (GMT) gilt heute die Universal Time Coordinated (UTC), die ebenfalls unabhängig von allen Standorten definiert ist.


Abgesehen von solchen technischen Fortschritten aber hat bis heute Bestand, was die Internationale Meridiankonferenz beschloss. Nullmeridian, Datumsgrenze, Standardzeit, Zeitzonen: Die Welt bekam ein Koordinatensystem übergezogen – die Grundlage der globalen Gesellschaft.

Und darüber sind auch Mäuse froh, denn es entwickelte sich ja daraus ein hochwertiges GPS-System, dass auch die Mäuse auf ihren Reisen unterwegs ständig nutzen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, da ja irgendwelche baulichen Veränderungen auf den Straßen der Welt immer vorgenommen werden und das GPS-System so schnell nicht mithalten kann. Ist so.

Der Ort Greenwich an der Themse ist zwar viel kleiner als sein großer Nachbar London – aber er ist es, der weltweit die Zeit angibt und so der wichtigste Punkt der Erde für Datum und Weltzeit geworden ist. Heute markiert ein Messingstreifen im Innenhof des Royal Greenwich Observatory den Nullmeridian. Seit dem 16. Dezember 1999 beleuchtet zudem ein nach Norden gerichteter grüner Laser den Verlauf des Nullmeridians.

Schön, die Travelmäuse haben aber bisher nur den Nullten Meridian in Spanien gefunden. Ist ja auch eigentlich nirgends auf der Welt zu sehen. So wie man den Äquator auch nicht findet. Man spürt ihn auch nicht. Alles unsichtbar. Außer, man hinterläßt eine Markierung. Und Mäuse hinterlassen auch schon mal Markierungen. Huch. 


Welche Staaten durchquert der "unsichtbare" Längengrad Null?

Der längste Streckenabschnitt führt durch Algerien (1555 Kilometer), gefolgt von Mali (760 km), Frankreich (735 km) und Ghana (569 km). Die weiteren Staaten sind: Burkina Faso (430 km), Spanien (336 km), das Vereinigte Königreich (319 km) und Togo (39 km)


Dani Berretti

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Quelle: u.a. Zeit-Online

http://www.visitgreenwich.org.uk/

http://de.wikipedia.org/wiki/Nullmeridian

http://www.explorermagazin.de/gps/gps.htm

http://www.explorermagazin.de/gps/gpsbasic.htm

http://www.zeit.de/wissen/geschichte/2009-10/greenwich-nullmeridian

http://www.zeitzonen.de/


Fotos © Travelmaus.de